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Frage 4 – Thema Bedingungsloses Grundeinkommen

Frage: Wie stehst Du zur Einführung eines bedingungslosem Grundeinkommen?

Antwort:

Katrin Göring-Eckardt:  Es gibt zwei Visionen innerhalb der Sozialstaatsdebatte – das bedingungslose Grundeinkommen und die bedarfsorientierte Grundsicherung.  Bei der Frage nach Wegen aus der Armut muss bedacht werden, dass Armut verschiedene Dimensionen aufweist und dass wir es mit unterschiedlichen Personengruppen, die von Armut betroffen sind, zu tun haben. So haben der "arme" Student und der Langzeitarbeitslose verschiedene Perspektiven auf die Veränderung ihrer Lage. Wir brauchen also verschiedene Lösungen für die unterschiedlichen Gruppen von Bedürftigen. Für mich muss der Staat immer die Schwächsten im Auge haben, die die es am schwersten haben. Seine Aufgabe muss es sein, den Schwächsten am meisten zu helfen.
Außerdem besteht immer die Gefahr, dass sich der Staat mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, also der Zahlung einer bestimmten Summe Geldes, seiner Sorgepflicht gegenüber denjenigen entzieht, die es besonders notwendig haben, Menschen mit einen höheren Unterstützungs- und Förderungsbedarf.

 

Patrick Held: Die Antworten von Patrick Held sind nur als .pdf verfügbar. Hier geht es zu seinen Antworten.

 

Nico Hybbeneth: Das bedingungslose Grundeinkommen ist eines meiner Kernanliegen. Mit dem BGE kann Armut und soziale Ausgrenzung überwunden werden und allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Die SPD will es nicht wahrhaben, doch in der Soziologie ist man sich einig. Die Lohnarbeit befindet sich in einer Krise. Wir müssen uns mit der Realität auseinandersetzen – es sind nicht genug Arbeitsplätze für alle da. Es macht keinen Sinn diese Zahlen zu schönen genauso wenig wie alle Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Sinn machen. Ein-Euro-Jobs sind und bleiben eine menschenunwürdige Beschäftigung. Ein BGE hätte den Vorteil, das Arbeitslose nicht länger als Faulenzer stigmatisiert werden können. Ich erinnere an Westerwelle, welcher Millionen Langzeitarbeitslose diffamierte, indem er ihnen spätrömische Dekadenz vorwarf. Ein bedingungsloses Grundeinkommen entbürokratisiert das Sozialsystem und schafft mehr Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Existenzängste würden abnehmen und in einer Gesellschaft in der die Arbeitsethik so fest verankert ist wie in der unseren brauchen wir keine Angst vor einem Arbeitnehmermangel zu haben. Natürlich will ein solches Projekt finanziert sein und das geht nicht ohne eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine Vermögenssteuer und eine sozial gerecht gestaltete Anhebung der Konsumsteuer. Hinzu kommen die immensen Einsparungen im Sozialsektor. Die Einführung eines BGE muss politisch und gesellschaftlich gewollt sein und dafür setze ich mich ein. Ich sehe in einem Grundeinkommen eine Chance, die aktuelle Einkommens-Struktur der Gesellschaft zu überwinden.

 

Roger Kuchenreuther: Tolle Idee, fürchte aber dass die Menschen dafür noch nicht reif genug sind. Vorerst muss es ein Recht auf Arbeit und Ausbildung, aber auch die Pflicht zur gesellschaftlichen Teilhabe tun. Wäre für eine 12-monatige Dienstpflicht m/w für alle je nach körperlicher Eignung, praktische Grundausbildung (Lehre) für alle Jugendlichen vor Studium, Verwaltungstätigkeit oder sonstigem Schaffen. Grundsätzlich sollte jede Berufsausübung ohne besondere Nachweise, Begründungen oder Krankheiten auch in Teilzeit möglich sein, selbstverständlich mit geringeren Abzügen und bei Kindererziehung ganz ohne Abzüge.

 

Renate Künast:  Die mir bekannten Konzepte für ein bedingungsloses Grundeinkommen halte ich noch nicht für ausgereift. Eine Reihe grundsätzlicher Fragen beantworten sie mir nicht überzeugend. Dazu gehört die Frage nach Gerechtigkeit und Solidarität innerhalb der Gesellschaft, aber auch die Frage der Finanzierbarkeit und wirtschaftlichen Folgewirkungen.

Ich setzte darum auf eine existenzsichernde Grundsicherung. Daneben brauchen wir eine Garantierente für alte Menschen, die lange gearbeitet oder Kinder betreut haben, sowie eine echte Kindergrundsicherung, denn dieser Gesellschaft sollen alle Kinder gleich viel Wert sein.

 

Alfred Mayer:  Das bedingungslose Grundeinkommen ist der eleganteste Weg, den Sozialen Frieden wieder herzustellen. Es ist auch finanzierbar, wenn Bund und Kommunen die Gelder beisteuern, die sie jetzt für HartzIV ausgeben und endlich wieder eine kräftige Vermögenssteuer eingeführt und der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer für Einkommen über 60.000 Euro progressiv erhöht wird. Die unsägliche Gängelung der HartzIV-Berechtigten (nicht -Empfänger) würde endlich wegfallen. Ich wünsche mir auch eine Neuauflage einer ökologischen Steuerreform des Inhalts, Unerwünschtes hoch und Erwünschtes niedrig oder gar nicht zu besteuern oder zu bezuschussen.

 

Markus Meister:  Eine Enquetekommission halte ich für dringend erforderlich, da ich überzeugt bin, das ganze Wirtschaftssystem auf dem Prüfstand gestellt werden muss und wir Experten mit Mut und Wille zur Veränderung brauchen, die frei von Vorgaben und dem Druck des politisch Machbaren erstmal debattieren, Visionen erarbeiten und neue Vorschläge machen. Ich weiß nicht, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen in naher Zukunft umsetzbar wäre bzw. eine echte Lösung, es sollten aber grundsätzlich keine Denkverbote herrschen. Menschen die arbeiten, sich engagieren in der Gesellschaft und Einsatz zeigen sollten aber immer leistungsgerecht entlohnt werden. Es geht nicht mehr, dass man die Entlohnung oder den Wert einer Arbeit allein vom Erfolg der Branche, des Unternehmens oder der reinen Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit abhängig macht. Sonst finden wir für die ganze wichtige und notwendige Arbeit z. B. in der Seniorenpflege bald keine Beschäftigten mehr die für das Geld und unter den Arbeitsbedingungen arbeiten.

 

Claudia Roth:  Bei diesem Thema gibt es mehr Gemeinsamkeiten als die Gegenüberstellung Grundeinkommen/Grundsicherung vermuten lässt. Ich glaube, niemand bei uns ist gegen eine bedingungslose Grundsicherung ohne peinliche und demütigende Prüfung, für alle, die sie brauchen. Hier gibt es einen breiten Konsens. Einen Dissens gibt es bei der Frage, ob und inwieweit auch Wohlhabendere einbezogen sein sollten. Hier stellen sich Fragen der Gerechtigkeit und der Finanzierung, die in der Konsequenz auch die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Institutionen betreffen. Es geht um die Frage, ob man den Staat nicht aus wichtigen sozialen Verantwortungen entlässt und ihn auf die Aufgabe der Alimentierung reduziert. Es geht auch um Anerkennungsbeziehungen, darum, ob Menschen auch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen ausreichende Gelegenheit haben, Anerkennung für sich und ihre Leistung zu erfahren. Welche Auswirkungen hat ein bedingungsloses Grundeinkommen auf die Notwendigkeit, gute, neue Arbeit zu schaffen? Würde ein bedingungsloses Grundeinkommen tradierte Rollenbilder von Frauen und Männern vielleicht sogar verfestigten? Das sind Fragen, die mich rund um dieses Thema bewegen.


Ich streite für eine armutsfeste Grundsicherung und eine Politik der Anerkennung, die ohne Sanktionen auskommt. Das ist ein wichtiger Baustein für eine emanzipierende Sozialpolitik, ebenso wie die eigenständige Existenzsicherung für Frauen. Ich kämpfe für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns und einer armutsfesten Garantierente, für die Anhebung der ALG-II-Regelsätze und die Einführung der Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege. Ich möchte einen Staat, der das Ziel nach guter, neuer Arbeit auch zukünftig in seinem Selbstverständnis trägt und Anerkennung nicht bloß auf Geldleistungen reduziert. Ich möchte einen Staat mit starken Institutionen, der deutlich mehr Verantwortung für das Gemeinwohl trägt, als das heute der Fall ist.

 

Franz Spitzenberger: Die Aufgabe des Sozialstaates ist es für Alte, Schwache, Kranke und in Not geratene zu Sorgen. Unter dem Blickpunkt der Überalterung unserer Gesellschaft, bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung (immer weniger Beitragszahler für mehr Leistungsempfänger) kann ich keine Spielräume für ein generelles Grundeinkommen sehen. Um dies im Detail beurteilen zu können, müsste ich das Konzept kennen. Meines Wissens haben wir Grünen aber noch kein durchgerechnetes Konzept. Die Enquete- kommission wäre notwendig um zu einer diskussionsfähigen Grundlage zu kommen.

 

Jürgen Trittin: Der Parteitag in Nürnberg hat dieses Modell zu Recht zurückgewiesen und sich für eine grüne Grundsicherung ausgesprochen. Ich verstehe dennoch, was die Anhänger am Grundeinkommen attraktiv finden.Weniger Sozialbürokratie und die Abschaffung jeglicher Existenzangst in einer reichen Gesellschaft, das klingt erst einmal attraktiv. Doch geht dies an den Problemen vieler Menschen aus breiten Milieus unserer Gesellschaft vorbeigeht. Teilhabe heißt in unserer Gesellschaft immer noch, am arbeitsteiligen wirtschaftlichen Geschehen dieser Gesellschaft beteiligt zu sein. Über Teilhabe an Arbeit läuft ein großer Teil der gesellschaftlichen Integration, der Anerkennung, der Sinnstiftung. Einem kleinen Teil der Gesellschaftmag es vielleicht gelingen, über spontane kulturelle Aktivitäten sozial eingebunden zu bleiben. Für die überwiegende Mehrzahl aber heißt Arbeitslosigkeit: Isolation, Depression, Exklusion. So droht das Grundeinkommen im Ergebnis dazu zu führen, dass wir Exklusion alimentieren. Zudem ist die Finanzierung eines Grundeinkommens in existenzsicherender Höhe nicht vereinbar mit unseren anderen Projekten zur Stärkung von Teilhabe und Gerechtigkeit.

 

Werner Winkler:  Da es sich bei der Frage des Grundeinkommens um ein mathematisch zu lösendes Problem handelt, wäre ich sehr dafür, möglichst bald 3-5 dafür besonders geeignete Fachleute zu engagieren, die neutral und politisch unvoreingenommen 2-3 Modelle entwickeln, wie ein Grundeinkommen realisierbar wäre und was das wen (!) kosten würde. Darüber würde ich dann gerne eine groß angelegte Befragung der Bürger organisieren (also nicht nur Stichproben) und sehen, wie hoch die

Zustimmung zu welchem realistischen Modell ist oder auch nicht. Und danach überlegen, ob wir uns für eine Variante als Grüne entscheiden und diese dann durchzusetzen versuchen; wobei ich eine frühzeitige Einbindung aller am Thema interessierten (unabhängig der Parteizugehörigkeit) für sinnvoll halte, um parteipolitische motivierte Abwehrhaltungen zu unterbinden; meines Wissens gibt es in allen Parteien Befürworter*innen einer solchen Regelung.

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