Grün.Links.Denken

Wir schaffen das wirklich!

Mit Ideen statt mit Sorge zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik

Beim Asylkompromiss 1993 wurde das individuelle Recht auf Asyl massiv beschnitten – unter Grünem Protest. Die Kompromisse 2014 und 2015 gehen diesen Weg weiter – diesmal mit Grüner Billigung. Damit die Asylpolitik nicht noch stärker in Richtung Abschottung driftet, dürfen wir Grüne weitere Verschärfungen nicht unterstützen. Wir müssen die Stimme der Menschenrechte bleiben und das Ziel einer menschenwürdigen Flucht- und Asylpolitik vorgeben.

Blick zurück: Harte Asylrechtsverschärfungen, keine „Bauchschmerzen“

2014 wurde das Recht auf Asyl für minimale Verbesserungen zur Verhandlungsmasse erklärt. Die Lockerung der Residenzpflicht betraf nur Kurzreisen; die Wohnsitzauflage wurde verschärft. Das Arbeitsverbot wurde verkürzt, aber die Vorrangregelung blieb bestehen. Die Bevorzugung von Geld- gegenüber Sachleistungen war eh schon gängige Praxis. Klar war, dass die vereinbarte finanzielle Entlastung für Länder und Kommunen nicht ausreichen und neue Verhandlungen anstehen würden.

2015 wurden die härtesten Asylrechtsverschärfungen seit 1993 beschlossen. Neben neuen „sicheren Herkunftsstaaten“ hebt der Kompromiss auch die Verbesserungen aus 2014 wieder auf: Asylsuchende müssen bis zu sechs Monate in zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen leben. Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ sogar bis zur Abschiebung. Die schwachen Lockerungen bei Residenzpflicht und Arbeitsverbot sind damit wieder aufgehoben. Asylsuchende können leichter als bisher inhaftiert werden. Auch die Sachleistungen sind zurück und werden jetzt zur Regel.

Wie 2014 bleiben die Vorteile minimal. Eine bundesweite Gesundheitskarte wird es auch 2015 nicht geben. Den Kompromiss als „Einstieg in ein Einwanderungsgesetz“ zu bezeichnen, ist stark übertrieben. Der Arbeitsmarktzugang für Menschen aus dem Westbalkan bleibt an starke Einschränkungen geknüpft. Die Zustimmung zum Gesamtpaket lässt sich auch nicht mit den finanziellen Hilfen des Bundes rechtfertigen – nicht nur G-Länder sind auf diese angewiesen, die GroKo hätte massiven Druck auch aus eigenen Reihen bekommen.

Die „Bauchschmerzen“-Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Geflüchtete noch stärker kategorisiert und jene mit "geringer Bleibeperspektive“ – also Menschen aus dem Balkan, vor allem Roma –  Geflüchtete zweiter Klasse werden. Der Kompromiss bedient Ressentiments und ist strategisch das falsche Signal: Wenn Kompromisslinien wieder zur Verhandlungsmasse werden, versetzt uns das für die nächsten Runden in eine schlechte Ausgangslage.

Blick nach rechts: Rechtspopulismus und Ressentiments klar entgegen treten

Rechte Stimmungsmache und Gewalttaten stehen einer Willkommenskultur entgegen. Unzählige Ehrenamtliche engagieren sich für Geflüchtete und schaffen Strukturen, die eigentlich von staatlicher Seite bereitgestellt werden müssten. Hören Menschen, dass "die Belastungsgrenze erreicht sei", beeinflusst das die gesellschaftliche Stimmung – v.a. wenn diese Forderungen auch aus Grünen Kreisen kommen!

Die Politik der Kompromisse dockt an Ressentiments an, statt sich ihnen entgegenzustellen. Grüne Aufgabe sollte sein Zuversicht zu äußern und unbegründete Ängste zu beseitigen: Durch weitsichtige Politik, aber auch durch eine klare Haltung im Diskurs. Wir brauchen politischen Willen und die Bereitschaft uns anzustrengen, damit wir glaubwürdig sagen können: Wir schaffen das wirklich – und zwar ohne Menschenrechte zu beschneiden.

Blick nach links: Mehr linksgrüne Stimmen in die Debatte

Gerade in diesen Zeiten müssen wir die starke Stimme für eine bessere Flucht- und Asylpolitik sein. Wir dürfen uns nicht durch das „Wir schaffen das!“-Mantra einlullen lassen, denn dahinter driftet die Asylpolitik immer weiter Richtung Abschottung. Dazu gehört, dass wir populistische Symbolpolitik ablehnen und keiner weiteren Asylrechtsverschärfung zustimmen, denn Menschenrechte sind keine Verhandlungsmasse! Wir dürfen nicht die „Verwertbarkeits“-Debatte bedienen, denn niemand flieht ohne Grund. Stattdessen müssen wir uns für soziale Gerechtigkeit stark machen. Nur so bauen wir Ressentiments aktiv ab. Wir brauchen eine eigenständige Antwort auf die Frage, wie wir allen Menschen auch mittel- und langfristig Schutz und eine Perspektive bieten: Solidarisch, europäisch und menschenwürdig.

Blick nach vorn: Mutig auf den Weg zu einer menschenwürdigen Flucht- und Asylpolitik!

Wir dürfen uns nicht von der kurzsichtigen Politik der GroKo treiben lassen. Für eine zukunftsfähige Lösung ist Weitsicht gefragt! Hier müssen wir eine Alternative aufzeigen

  • bei der Menschenrechte unumstößlich sind und nicht zwischen Geflüchteten erster und zweiter Klasse unterschieden wird,
  • bei der Europa nicht zur Festung wird, eine sichere Einreise in die EU gewährleistet ist und Zusammenarbeit mit Drittstaaten der Unterstützung und nicht der Abwehr dient,
  • bei der sich die EU-Staaten die Verantwortung solidarisch teilen, die Asylstandards einhalten und die Dauer des einheitlichen Asylverfahrens stark beschleunigen,
  • bei der Geflüchtete den Ort, an dem sie leben und arbeiten, innerhalb der EU frei wählen können und allen Menschen Teilhabe ermöglicht wird.

Bei den derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnissen in der EU müssen wir zu Kompromissen bereit bleiben. Aber nur zu solchen, die uns wirklich einer menschenwürdigen und solidarischen Flucht- und Asylpolitik näherbringen!

 

Dies ist die Zusammenfassung eines längeren Positionspapiers. Den ganzen Text findest du hier.

Autor: Francisca Fackeldey, Rhea Niggemann und Sibylle Steffan

Francisca Fackeldey und Rhea Niggemannsind Mitlgied im Vorstand des Kreisverbandes Neukölln. Sibylle Steffan ist Sprecherin der berliner LAG Europa

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