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COP in Marrakesch: Auf die Inhalte kommt es an!

Samstag, kurz nach Tagesbeginn endete in Marrakesch  die 22. Weltklimakonferenz. Es ist das Jahr Eins nach der Verabschiedung des Klimaabkommens von Paris. Es war  auch die erste Klimakonferenz nach dem Inkrafttreten des Pariser Klimavertrags. Der überaus schnelle Ratifikationsprozess verdeutlicht die Dringlichkeit des Themas.

Der Pariser Klimavertrag und seine Bewertung

Dass im Zuge des Pariser Klimavertrags zum ersten Mal endlich (fast) alle Staaten dieser Erde darin übereingekommen sind, sich der Klimakrise entgegen zu stellen, wird als Erfolg wahrgenommen. Der gemeinsame Vertrag signalisiert das Ende des Zeitalters der fossilen Energien.

Kritiker*innen betonen aber, dass im Vertrag lediglich Ziele vorgegeben wurden und auf die Nennung konkreter Maßnahmen verzichtet wurde. Gerade von Akteur*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung wird kritisiert, dass es versäumt wurde, dem Globalen Süden genügend Ressourcen, Wissen und Technologien für das Erreichen der Vertragsziele bereit zu stellen. Der Globale Norden verlagere dadurch Lasten an den Globalen Süden und globale Ungerechtigkeiten würden manifestiert. Die Aufnahme des 1,5°C-Ziels erscheint aus dieser Perspektive eher als halbherziges Lippenbekenntnis. Kritisiert wird außerdem, dass es keine verpflichtenden, durch Vertrag geregelten Emissionsreduktionen mehr gibt. Stattdessen baut der Vertrag auf freiwilligen Selbstverpflichtungen auf. Zur Rettung des Weltklimas muss daher auf den guten Willen und das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten gehofft werden. Die Wirkmächtigkeit fossiler Strukturen in Politik und Gesellschaft lässt diese Hoffnung jedoch naiv erscheinen. 

Der Pariser Klimavertrag bietet letztlich einen Rahmen, in dem Klimapolitik ambitioniert umgesetzt werden soll. Erfolg und Wert des Vertrags hängen von den Maßnahmen ab, mit denen dieser Rahmen gefüllt wird. Seine Implementierung ist entscheidend – und die begann mit dieser Weltklimakonferenz.

22. Weltklimakonferenz – klare Nachrichten, Gehen lernen und dennoch zu wenig

Neben den eigentlichen Entscheidungen der Klimakonferenz gab es zwei klare Nachrichten, die von Marrakesch ausgehen: Alle Staaten der Erde stehen – zumindest auf dem Papier – hinter dem Kampf gegen die Klimakrise. Die „Proklamation von Marrakesch“ ist nicht Teil des offiziellen Entscheidungspakets. Die Unterzeichner*innen  rufen unter anderem nach dem größtmöglichen politischen Einsatz beim Kamp gegen die Klimakrise, da das Thema höchste Priorität besitzt. Sie heben auch ihren Willen hervor, den Pariser Klimavertrag vollständig umzusetzen.

Dies ist auch als Reaktion auf die Wahl Trumps zu werten: Er wird die (ohnehin oft zu geringen) Anstrengungen nicht aufhalten. Das Ergebnis der US-Wahlen hat auch unter den Delegierten der Zivilgesellschaft für Szenen der Verzweiflung gesorgt. Die von ihnen ausgehende Nachricht war aber umso klarer: Die globale Transformation weg von Kohle, Öl und Gas kann auch von Trump nicht mehr aufgehalten werden.

Eine weitere Nachricht sendete das „Climate Vulnerable Forum“, ein Zusammenschluss der am stärksten von der Klimakrise betroffenen Staaten, gemeinsam mit anderen Staaten: Sie wollen im Zeitraum zwischen 2030 und 2050 so schnell wie möglich auf 100% Erneuerbare setzen und Treibhausgasneutralität erreichen. Die insgesamt 47 Staaten sind damit Deutschland um Längen voraus. Es zeigt auch, dass die Länder des Globalen Südens zunehmend eine Führungsrolle im Kampf gegen die Klimakrise einnehmen. Die Umsetzung des Pariser Vertrages und Klimafinanzierung waren die zentralen Themen der eigentlichen Klimakonferenz. Wie erwartet war Marrakesh keine Konferenz der großen Entscheidungen, sondern vielmehr eine der Grundsteinlegung und der technischen Diskussionen.

Umsetzung

Hinsichtlich der Umsetzung wurden vor allem erste Schritte unternommen. Ein finale Entscheidung auf dieser Klimakonferenz war dagegen nicht zu erwarten. Die genauen Regelungen für das Pariser Abkommen sollen letztlich auf der Klimakonferenz 2018, die wahrscheinlich in Polen stattfinden wird, beschlossen werden.

Es wurden vor allem Handlungsaufträge an die unterschiedlichen Verhandlungsstränge erteilt. Das Hauptentscheidungsgremium der Klimakonferenz, die „COP“ soll bei allem den Überblick behalten. Viele kleinere Themen, die keinem Verhandlungsstrang vollständig zugeordnet werden konnten, fallen jetzt einer anlässlich des Pariser Abkommens extra eingesetzten Arbeitsgruppe zu.

Die nächste zentrale Klimakonferenz wird 2018 stattfinden. Dort soll nicht nur das Regelwerk des Pariser Abkommens verabschiedet werden, sondern auch ein „gestalterischer Dialog“ stattfinden. Dieser soll die bisherigen Anstrengungen der Staaten hinsichtlich Emissionsreduktionen betrachten und Antworten darauf geben. Wie letztere aussehen sollen ist nicht klar. Dabei wird auf Erfahrungen von dem diesjährigen „gestalterischem Dialog“ gebaut. Dieser hat aufgrund der schlechten Vorbereitung seitens Konferenzleitung und vieler Staaten ein negatives Echo ausgelöst. In den abschließenden Statements der Konferenz wurde deutlich, dass der Globale Süden für Klimapolitik bis 2020 eindeutig mehr erwartet.

Auf der Klimakonferenz 2017 in Bonn soll außerdem mehr über Minderungsmaßnahmen gesprochen werden. Da NGOs aus vielen kommenden Konversationen implizit ausgeklammert wurden, werden die Verhandlungen leider weniger transparent, was gerade aus zivilgesellschaftlicher Perspektive zu bedauern ist. 

Zudem wurde über Unterbringung des Anpassungsfonds beraten. Dieser stellt für 2017 81 Mio. US-Dollar für Anpassungsmaßnahmen bereit. Eigentlich werden schon 2030 140 bis 300 Milliarden Dollar pro Jahr für Anpassungsmaßnahmen benötigt. Obwohl also eigentlich viel mehr Geld zu Verfügung gestellt werden müsste, ist der Fonds aktuell dennoch eine wichtige Finanzquelle für Staaten des Globalen Südens. Da er aus dem nicht wirklich funktionierenden Marktmechanismus des Kyoto-Protokolls finanziert wird, ergibt sich jedes Jahr eine große Finanzlücke. Deutschland stellte auf der Klimakonferenz 50 Mio. US-Dollar dafür bereit. Trotz der Wichtigkeit wurde der Anpassungsfonds nicht im Pariser Abkommen erwähnt. Hier setzten sich die Länder des Globalen Südens durch. Der Anpassungsfonds wird unter dem Pariser Abkommen fortgeführt werden.

Dies hängt auch mit einer weiteren großen Frage zusammen: Der Finanzierung. Um die Klimakrise anzugehen werden Ressourcen benötigt. Auf dem grandios gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen gaben die Staaten des Globalen Nordens ein Versprechen ab: Ab 2020 sollen jährlich 100 Mrd. US-Dollar für den Globalen Süden bereitgestellt werden. Vor dieser Klimakonferenz haben die Staaten des Globalen Nordens einen Fahrplan unterbreiten, wie dieses Geld genau zusammen kommen soll.  Hierbei wurden viele Gelder doppelt gezählt, sodas der Großteil der Gelder nicht zusätzlich ist. Eine wichtige Forderung der Länder des Globalen Südens, eine gleichmäßige Aufteilung der Gelder zwischen Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen, wurde nicht beachtet. Dennoch wurde über die langfristige Finanzierung – die wohl zweitwichtigste Entscheidung dieser Konferenz – beraten.

Der Beschluss in Marrakesch ist nicht übermäßig ambitioniert: Der Finanzierungsfahrplan wird zwar erwähnt,  die hochproblematische Methode der Einordnung und Definitionen von Finanzierung, wie sie von Ländern des Globalen Nordens vorgenommen wurde, aber nicht festgeschrieben. Gleichzeitig werden die Länder des Globalen Nordens dazu aufgerufen mehr öffentliche Finanzierungsquellen bereit zu stellen. Im letzten Entwurf tauchen jedoch möglich Kooperationen zwischen Staaten des Globalen Südens nicht mehr auf.

Deutschland und das Klima

Unabhängig von den Ergebnissen der Klimakonferenz: Für die Bundesregierung wurde Marrakesch zum versteckten Debakel. In unverantwortlicher Weise hat sie den Klimaschutzplan 2050 demontiert. Damit werden zwei Dinge deutlich: Die Große Koalition will den Klimavertrag nicht umsetzen. Dafür sind, gerade im Licht der historischen Verantwortung Deutschlands, ambitionierte Maßnahmen notwendig. Zweitens zeigt sich, dass all die schönen Worte in Paris hinfällig geworden sind und getrost in die Kategorie „Lippenbekenntnisse“ gezählt werden können. Klimakanzlerin Merkel wird einmal mehr zur Kohle-Kanzlerin Merkel. Neben den massiven sozialen und ökologischen Negativeffekten in Deutschland wird damit auch ein fatales Signal an andere Staaten gesendet. Viele beobachten die Entwicklung der Erneuerbaren genau. Doch anstatt mit positiven Beispielen voran zu gehen, lässt die Bundesregierung zu, dass Druck aus den Verhandlungen heraus genommen wird. Sie versuchte sich hinter finanziellen Zugeständnissen zu verstecken, was allerdings von vielen Delegierten durchschaut wurde. Nichtsdestotrotz bleibt der Mythos des Energiewende-Vorreiters Deutschland auf internationaler Ebene weiterhin wirkmächtig.

Bündnis 90/ Die Grünen war es bisher immer wichtig, das Gesamte im Blick zu haben. Und darauf kommt es auch jetzt an. Im Gegensatz zu politischen Prozessen, wo Kompromisse unter den verhandelnden Parteien ausgehandelt werden, ist dies bei der Klimakrise eben nicht möglich: Physik verhandelt nicht. Wir müssen das Ruder rumreißen, um das Klima zu retten. Sonst können wir keine Klimakatastrophe verhindern. Gerade erst veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen den jährlichen „Emissions Gap Report“. Daraus geht hervor, dass das 2°C-Ziel momentan nur äußerst schwerlich, das 1,5°C-Ziel kaum noch zu erreichen ist. Dringlicher wird dies mit Trumps Ankündigungen. Die Bundesregierung unternimmt bisher viel zu wenig, um ihrer immensen Verantwortung nachzukommen. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Transformation. Dabei wird es viele Gewinner*innen geben, langfristig profitieren wir alle plus die nachkommenden Generationen von effektivem Klimaschutz. Kurzfristig wird es aber auch einige Verlier*innen auf diesem Weg geben. Verantwortung bedeutet auch, dies zu kommunizieren. Und im Zweifelsfall auch in den Konflikt mit fossilen Strukturen zu gehen.

Wir Grüne haben das verstanden und dürfen nicht aufhören, den Finger in die Wunde zu legen.  Die bisherigen Anstrengungen müssen verstärkt und Verantwortung übernommen werden. 

Es ist unumgänglich, bis spätestens 2030 100% der Energieversorgung durch die Erneuerbaren zu decken und bis 2025 aus der Kohle auszusteigen. Es bedeutet auch andere Bereiche mit hohen Emissionen anzugehen, beispielsweise Verbrennungsmotoren. Vorschläge, die das 1,5°C-Ziel oder das 2°-Ziel halten wollen sind eben nicht radikal, sondern realistisch. Unrealistisch ist es jedoch diese Forderungen als „nicht machbar“ bei Seite zu wischen. „Radikal ist“, um es mit Bill McKibben zu sagen, „[…] die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre zu ändern.“  

„Ein Wunder für das, was möglich war – eine Katastrophe für das, was nötig ist“ –so wurde der Pariser Klimavertrag einmal beschrieben. Die Klimakonferenz in Marrakesch hat nun die Aufgabe erste Schritte zu unternehmen und Hoffnung darauf zu machen, dass dieses katastrophale Wunder auch hält was viele sich davon versprechen. Das kann aber nur mit ambitionierten Klimapolitiken geschehen. Die kleinen Lichtblicke der Konferenz können über das viel zu geringe Tempo der Klimaverhandlungen und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten aber nicht hinweg täuschen. Die Klimakrise ist kein Generationenkonflikt. Sie ist ein Konflikt zwischen armen und reichen Ländern, zwischen weniger und stärker privilegierten Gruppen und einer darüber, wo es mit dieser Welt hingehen soll. Es braucht nicht nur einen Wandel darin, wie internationale Klimapolitik gemacht wird. Wir müssen uns mit der Klimabewegung verstärkt vernetzen – denn diese treibt Klimapolitik wirklich voran.

Autor: Anton Jaekel

Anton ist Internationaler Sekretär im Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND. Er begleitet den Klimaprozess seit fünf Jahren und koordiniert die FYEG-Delegation zur diesjährigen Konferenz.

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