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Freiheit statt Angst

Es ist nichts geringeres als die Demokratie, die in Gefahr ist. Ein Land, dessen Bürger_innen unangefochten und unbestraft von Geheimdiensten sogenannter Verbündeter überwacht werden, hat wenig mit einem demokratischen Staat zu tun. Wenn eine westliche Regierung ihren Geheimdienst anweist, Festplatten bei einer Zeitung löschen zu lassen, dann ist die Pressefreiheit nicht nur in Gefahr – sondern offenbar schon ausgesetzt.

Typische Merkmale einer Demokratie sind freie Wahlen, das Mehrheitsprinzip, die Respektierung politischer Opposition, Verfassungsmäßigkeit und Schutz der Grundrechte (bzw. nur den Staatsbürgern vorbehaltenen Bürgerrechten) und Achtung der Menschenrechte.

schreibt die Wikipedia.

Umso geschockter blicken wir dieser Tage auf die Dimension, die der Überwachungsskandal, der mit den Veröffentlichungen Edward Sbwodens begonnen hat, nimmt.

Wir scheinen zur Erkenntnis gezwungen zu sein, dass es offenbar ohne Geheimdienste nicht geht. In einer parlamentarischen Demokratie jedoch sollte das Parlament diesen Geheimdienst effektiv kontrollieren. Es muss transparent gemacht werden, was wie wo geschieht – und über die Transparenz darf nicht mehr alleine die Regierung entscheiden. Es muss eine Beschwerdestelle geben – meinetwegen beim Verfassungsgericht – dass diese Transparenz im Zweifel herbeiführt. Diese Kontrolle ist offenbar außer Kraft gesetzt. Denn soweit man heute weiß, gibt es eine fruchtbare Zusammenarbeit des BND mit den überwachenden ausländischen Diensten – wer wem welche Daten gibt und wer die Daten welcher Bevölkerung abschnorchelt ist nach wie vor völlig unklar.

Was viele Menschen in diesen Tagen aber mehr und mehr umtreibt, ist die Frage, was denn mit unserer Freiheit ist in einem Staat, der seine Bürger_innen anlasslos rund um die Uhr  überwachen lässt, der zulässt, das sogar ausländische Geheimdienste ebendies tun und offenbar sogar noch von den Ergebnissen profitiert – Telefonate, Briefe, E-Mails, Surfverhalten, Internetrecherche/-suche, Chats, …

Wir sind in dem Bewusstsein erzogen worden, in einem der freiesten Länder der Welt zu leben – und dieses Versprechen war ein essentieller Antrieb für die Freiheitsbewegungen der DDR. Das Versprechen der Wiedervereinigung war ein freiheitliche Gesellschaft, in der die eigene Freiheit ihre Begrenzung lediglich in der der Mitbürger_innen findet. So wie es zurzeit aussieht, wurden wir belogen, das Versprechen gebrochen.

Die meisten in diesem Land  haben tatsächlich nichts zu verbergen, nicht im Sinne von Straftaten. Aber jede_r ein Recht auf Informationen, die er mit niemandem teilen möchte. Ein Recht auf Privatsphäre. In der man alles tun und lassen kann, was man möchte, solange niemandes anderen Rechte eingeschränkt oder gestört werden.

Die Bundesregierung, das Parlament, muss gewährleisten, dass dieses Recht geschützt ist. Ohne Kompromisse. Nach demokratischen Richtlinien. Präventive Überwachung, anlasslos, ohne Hintergrund, für eine Sicherheit, die es nicht gibt, darf nicht erlaubt sein. Wenn die Geheimdienste dem nicht folgen, dann ist es an der Zeit, dass die Parlamentarier sich erheben und dem Einhalt gebieten. Sie geben den Geheimdiensten das Geld, aus dem sie ihre Existenz bestreiten. Das kann und muss man ändern.

Unsere Demokratie in der wir meinen zu leben, hat dafür zu sorgen. Wenn es in der Vergangenheit darüber Unklarheit gegeben hat, aufgrund von Besatzungsstatuten der Siegermächte, aufgrund der Hysterie nach dem 11. September und der seitdem herrschenden Angst vor Anschlägen – dann muss diese Unklarheit beendet werden. Und man muss sagen: die Piratenpartei, als diejenigen, die die Partei der Bürgerrechte sein wollen, unterwerfen sich mit ihren Kryptoparties dem Überwachungssystem. Anstatt zu kämpfen, genau um diese Freiheit, sagen Sie: „ verschlüsselt Eure Mails etc.“. Das ist nichts anderes als das, was überhaupt zu dieser Situation geführt hat: die Angst vor Terror führt zu Überwachung, die Angst vor Überwachung führt zu Verschlüsselung.

Der demokratische Rechtsstaat muss mit rechtsstaatlichen Methoden verteidigt werden. Die Antwort auf Terror ist nicht Angst, sondern Demokratie. Die Antwort auf Überwachung ist Freiheit. Diese Freiheit hat die Regierung zu schützen. Diesen Schutz verweigert sie uns und  verweigert uns jedeR, der uns ermuntert, sich diesem Überwachungssystem zu beugen und die eigene Freiheit aufzugeben.

Wir erleben in diesen Tagen das Versagen aller Institutionen, die gefordert wären, all diese Dinge aufzuklären.  Statt dessen wird versucht, die Affäre beendet erklären zu lassen. Und im Zweifel erfindet der Innenminster ein neues Grundrecht – und stellt es als „Supergrundrecht“ über alle anderen Grundrechte, obwohl im Grundgesetz, Art. 19 steht:

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

Wenn wir unsere Freiheit, unsere Demokratie wieder haben wollen, müssen wir uns wehren. Am 7.9. findet in Berlin die Demonstration „Freiheit statt Angst“ statt. Ein Anfang.

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