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Das Wir der Sozis reicht nicht weit – Entwicklungspolitik fristet bei der SPD ein Inseldasein

Die gute Nachricht lautet: Mit der SPD können wir G(g)rüne Entwicklungspolitik machen. Es gibt keine Forderungen, die unseren widersprechen, keine unvereinbaren Positionen. Und dennoch gibt es beim näheren Hinsehen einen Grund, warum wir das Feld nicht allein den Sozialdemokraten überlassen können: Angesichts der globalen Krisen und Veränderungen kann kein Politikfeld weiter machen wie bisher. Das hat die SPD noch nicht erkannt.

Das SPD Programm erinnert etwas an die Entwicklungsansätze der frühen Nuller-Jahre, eine konzeptionelle Weiterentwicklung hat nicht statt gefunden, lediglich die Analyse wurde angepasst.

Die Aussage, Entwicklungspolitik sei globale Strukturpolitik (und nicht nur ein Beitrag dazu), verdeutlicht die Omnipotenzfalle in der die sozialdemokratische Entwicklungspolitik nach wie vor feststeckt. So wird dann auch die aktuelle Diskussion zur Verzahnung von internationaler Entwicklungs- und Umweltpolitik nur implizit gestreift. Gleichzeitig steht die SPD-Entwicklungspolitik scheinbar nach wie vor einsam in der “Entwicklungs-Ecke“, ohne in der Breite der Partei angekommen zu sein, ohne sich um die Schnittpunkte mit anderen Politikfeldern zu kümmern. Auf viele der drängendsten Fragen globaler Strukturpolitik hat die SPD darum keine Antworten.

Das wird beim Durchblättern des gesamten Programms deutlich. Da findet sich nichts über die globalen Auswirkungen von Agrarsubventionen im Kapitel „Ländliche Räume“, nichts über internationale Handelspolitik im Wirtschaftskapitel, zum Landgrabbing im Finanzteil, zur Drogenpolitik im Gesundheitskapitel (und auch nicht im Rest des Wahlprogramms) oder zur globalen Energiewende im Energiekapitel. Wenn die internationale Perspektive nicht mal in den anderen Politikfeldern auftaucht, ist es mehr als Zweifelhaft ob die globalen Anforderungen dort eine große Rolle in der Regierung spielen werden. Innerparteiliche Kohärenz sieht anders aus, nämlich so wie im grünen Wahlprogramm: Mit einem Global Mainstreaming quer durch die Kapitel haben wir die Fragen der Globalen Gerechtigkeit da verankert, wo sie später auch diskutiert und entschieden werden.

Etwas müde und mit fehlender letzter Konsequenz scheint die SPD in ihrem Programm viele state-of-the-Art-Forderungen wie eine Checkliste abzuarbeiten. Vieles bleibt unkonkret und auf Ziele beschränkt, ohne Konzepte für deren Erreichung vorzulegen. Am deutlichsten wird dies an den Kernforderungen der Entwicklungspolitik: Für die Erreichung des großen internationalen Finanzierungsversprechens, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklung zu verwenden, legt die SPD keinen Stufenplan vor. Sie kündigt zwar an, eine Milliarde mehr für Entwicklung auszugeben. Dahinter steckt jedoch kein überzeugtes Eintreten für die Sache, sondern ein pflichtbewusstes "wir halten fest". Auch gibt es bei der SPD keine Überlegungen dazu, wie diese eine Milliarde gegen finanziert werden soll. Die einmal als „Robin-Hood-Steuer“ erfundende Finanztransaktionssteuer (FTT) will die SPD zwar, über deren Verwendung äußert sie sich jedoch nur nebulös. Zur Finanzierung der Maßnahmen für Anpassung an den und Vermeidung vom Klimawandel findet sich im ganzen Programm der SPD keine Aussage. Wir Grüne haben dagegen mit unseren Steuerplänen und den Plänen zum Abbau von Subventionen vorgerechnet, wie die internationalen Versprechen für Entwicklung und zur Eindämmung des Klimawandels eingehalten werden können. Und wir haben klar formuliert, einen großen Teil der Einnahmen aus der FTT in die Bekämpfung der weltweiten Armut und den globalen Klimaschutz fließen zu lassen.

Eine zweite Kernforderung der Entwicklungspolitik, ist die nach mehr Kohärenz. Denn alle Maßnahmen der internationalen Zusammenarbeit sind wenig erfolgversprechend, wenn weiterhin Rüstungsexporte in Konfliktregionen Friedensmaßnahmen konterkarieren, Agrarsubventionen lokale Märkte in Entwicklungsländern zerstören oder mit Handelsabkommen Arbeits- und Umweltstandards untergraben werden. Der Begriff „Kohärenz“ taucht im gesamten Programm der SPD nicht auf. Hier haben es die EntwicklungspolitikerInnen der GenossInnen offensichtlich versäumt die Fragen globaler gerechter Strukturen als Querschnitt in allen Politikfelder zu verankern. Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends hat bei der SPD scheinbar keine Diskussion gefruchtet, die die Interkonnektivität verschiedener Politikfelder, Regionen und Ebene anerkennt.

Wir Grüne haben dagegen eine klare Botschaft: Wir wollen die sozial-ökologische Transformation – hier und weltweit. Dafür wollen wir vor allem mehr Kohärenz für eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung schaffen; mehr multilateral im Rahmen der Vereinten Nationen machen; und jedes Jahr zusätzliche 1,2 Milliarden Euro für Entwicklung plus 500 Millionen Euro für den Klimaschutz ausgeben, bis wir das 0,7 Prozentziel 2017 erreicht haben.

Die hat SPD keine starke Erzählung ihrer Entwicklungspolitik anzubieten, die sich den veränderten globalen Strukturen stellt, und sich in das Gesamtprogramm einbettet. Dabei wird es in den kommenden Jahren entscheidend sein, mit innovativen und klugen Ansätzen zu überzeugen. Denn die notwendige sozial-ökologische Transformation wird dem Staat, der Wirtschaft und den Menschen einiges abverlangen – aber vor allem wird sie deren Unterstützung benötigen.

Damit sich also wirklich was ändert in der deutschen internationalen Zusammenarbeit braucht es grüne Programmatik für die kommenden Jahre – nicht als Selbstzweck – sondern für gerechtere Strukturen auf der Welt.

2 Kommentare

  1. Als Beleg für Frederiks These eignet sich auch die aktuelle Rede von Steinbrück zu Außen- und Sicherheitspolitik. Entwicklungspolitik kommt darin kaum vor. Die Erhöhung der ODA-Quote spricht Steinbrück zwar an, aber ein Bekenntnis zum 0,7%-Ziel fehlt.

    http://peer-steinbrueck.de/aktuelles/reden/101898/20130604_aussenpolitische_rede.html

  2. Schöner Artikel, Frederik! …und ein Arbeitsauftrag: Die Botschaft der sozial-ökologischen Transformation hin zu einer menschenrechtsbasierten, nachhaltigen Entwicklung mit greifbaren, klaren Projekten zu kommunizieren. Sonst bleibt das Thema sprachlich im politischen Elfenbeinturm.