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Für den Politikwechsel kämpfen – Unsere Präambel im Wahlprogramm

Einer der schönsten Termine als Bundestagsabgeordneter sind für mich die Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis. Vor kurzem waren wieder 50 Menschen aus Hannover auf meine Einladung hin in Berlin. Ich beantworte in diesen Runden viele Fragen, aber ich nutze die Gelegenheit auch, um ungeschminktes Feedback zu bekommen. „Ich kriege nicht mit was grüne Positionen zu Fragen von Krieg und Frieden sind“, sagte eine junge Frau, die sich ehrenamtlich für Geflüchtete engagiert. „Warum stellt ihre soziale Themen nicht mehr nach vorne?“, fragte ein Verwaltungsangestellter aus Hannover. „Wofür stehen die GRÜNEN noch?“, das höre ich zurzeit nicht nur in dieser Besucher*innengruppe.

Weil ich dieses Feedback sehr ernst nehme, werde ich in diesem Text auf einige dieser Fragen antworten. Und zwar am Beispiel unseres Wahlprogrammentwurfes. Die Kernaussagen, für die wir stehen, finden sich schon ganz am Anfang: in der Präambel. Das ist ein Text über unsere Präambel und wie wir auf dieser Grundlage wieder in die Offensive kommen können.

Worum geht es bei dieser Wahl?

Das Wahlprogramm beginnt mit einer kurzen, aber richtigen Analyse der politischen Lage. Der Blick über unseren eigenen Tellerrand zeigt uns, wie heftig die Welt gerade bebt. Die extremen Rechten, die Autoritären sind am Erstarken. Weltweit. Sie wollen die demokratischen Fundamente unserer Gesellschaft zerschlagen. Sie wollen Abschottung, raus aus der Weltgemeinschaft, raus aus Europa, zurück in Nation und Nationalismus. Wir stehen vor einer neuen, gefährlichen Aufrüstungsspirale. Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Terror, vor Hunger und Zerstörung ihrer Umwelt. Auch die Klimakrise verschärft sich immer weiter. Wir erleben mit dem kriminellen Dieselbetrug der Autoindustrie den größten Umwelt- und Verbraucherskandal der letzten Jahre und in unseren Meeren sammelt sich ein ganzer Kontinent aus Plastikmüll. Die soziale Frage beschäftigt auch in Deutschland viele Menschen. Deutschland geht es zwar im Durchschnitt wirtschaftlich gut, aber trotzdem wächst auch hier die Armut weiter an. Besonders leiden darunter Kinder, Alleinerziehende und Arbeitslose. Nirgendwo in der Euro-Zone ist die Ungleichheit bei Vermögen größer als in Deutschland.

All das zeigt: 2017 geht es um richtig viel. Es gibt eine neue politische Polarisierung. Das sagt auch unsere Präambel: „Diese Bundestagswahl ist wichtig, vielleicht historisch.“

Mit dieser analytischen Grundlage lässt sich gut arbeiten. Wir gehen mit dem Selbstbewusstsein in den Wahlkampf, dass unsere GRÜNEN Antworten dringend gebraucht werden. Davon bin ich fest überzeugt. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit unseren Ideen und unseren Konzepten diese Welt besser und gerechter machen können.

Das deutlich zu machen, ist nicht nur die Aufgabe unserer SpitzenkandidatInnen Katrin und Cem. Das ist auch die Aufgabe von uns allen, die aktiv im Wahlkampf für GRÜNE kämpfen. Welche Antworten wir geben, für welche konkreten Projekte wir kämpfen, das beantwortet unser Wahlprogramm in Gänze. Die Präambel legt fest, mit welcher Strategie und mit welchen Zielen wir in den Wahlkampf schreiten.

Wir wollen einen Politikwechsel!

An dieser Stelle ist die Präambel deutlich. Uns reicht es nicht den Status Quo einfach zu verteidigen. Das zentrale strategische GRÜNE Ziel in diesem Wahlkampf ist ein Politikwechsel und eine Alternative zum Weiter-So. Wir wollen gestalten und verändern, statt die Zustände und Zumutungen einfach nur zu verwalten.

Uns mangelt es im Programm nicht an klaren Positionen und an streitbaren Projekten. An zentralen Stellen in der Präambel formulieren wir eindeutig, was wir durchsetzen wollen: „Wir steigen aus der Kohle aus.“, „Wir machen Schluss mit industrieller Massentierhaltung.“ und „Wir kämpfen dafür, dass multinationale Unternehmen ihre Steuern hier zahlen und die Gesellschaft nicht länger um Milliarden prellen.“. Das sind Sätze die sehr klar machen, was wir wollen und wofür wir kämpfen. Und es sind Sätze, die uns unterscheidbar machen.

Damit schafft es die Präambel auch, uns in das bestehende Parteiensystem einzuordnen. Unsere Positionen und Forderungen nach einem Politikwechsel machen klar, dass die SPD – trotz aller Kritik bei Kohle, Auto, CETA – uns näher steht als die CDU. Und sie macht deutlich, dass wir der Gegenpol sind zur Politik der CSU. Es gab und gibt keine Äquidistanz.

Wo die Präambel leider undeutlich bleibt, ist bei der Frage wer die Verantwortung für den quälenden Stillstand der letzten Jahre trägt. Wir dürfen in diesem Wahlkampf nicht verschweigen, dass seit 2005 die Union die Kanzlerin stellt und damit auch die Hauptverantwortung für die Politik der letzten 12 Jahre trägt. Eine Politik, die wir grundlegend ändern wollen.

GRÜNE Forderungen zuspitzen und nach vorne stellen

Wie geht es jetzt weiter? Es geht jetzt darum im Wahlkampf sichtbar zu machen, worauf uns die Präambel verpflichtet. Die Aufgabe ist es, von der abstrakten Ebene in der Präambel herunter zu kommen. Dafür braucht es Zuspitzung und Mut zu klaren Ansagen. Anders werden sich die Fragen, die mir viele Bürger*innen immer wieder stellen, nicht beantworten lassen. Standpunkt kommt von stehen, nicht von wackeln. Unsere Unterstützer*innen wollen keine Kompromissformulierungen, sondern deutliche Ansagen und sie wollen uns dafür kämpfen sehen. Neben der Präambel brauchen wir deshalb jetzt klare Aussagen, wofür wir stehen und wofür nicht.

Neben den oben genannten Punkten zum Kohleausstieg, dem Stopp der Massentierhaltung und dem Kampf gegen Steuerbetrug von Konzernen, gehören nachfolgende Forderungen aus meiner Sicht noch dazu. Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind Beispiele und meine Auswahl, deswegen beschränke ich mich auf vier Kernprojekte aus den Bereichen Gerechtigkeit, Weltoffenheit, Europa und Frieden, die nicht fehlen dürfen:

  • Wir wollen klasse Medizin statt Zwei-Klassen-Medizin. GRÜNE werden dafür sorgen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder die gleichen Beiträge für die Krankenversicherung zahlen. Wir machen die sozialen Sicherungssysteme fit für die Zukunft und setzen die Bürgerversicherung durch: In der Gesundheits-, Pflege- und Rentenversicherung. Auch Kapitalanleger*innen und Abgeordnete sollen in die Rentenkasse einzahlen. Wir stabilisieren das Rentenniveau auf dem heutigen Stand.
  • In Afghanistan herrschen Krieg und Terror. Dieses Land ist nicht sicher. Eine Bundesregierung mit GRÜNER Beteiligung wird nicht nach Afghanistan abschieben. Und wir stellen uns gegen das Zerreißen von Familien. Wir setzen den Familiennachzug für alle Geflüchtete durch, auch für Asylbewerber*innen mit subsidiärem Schutz.
  • Wir kämpfen für das Ende der Austerität von Merkel und Schäuble. Eine GRÜNE Regierungsbeteiligung kann es nur mit einem europapolitischen Kurswechsel hin zu sozialen und ökologischen Investitionen und zur Bekämpfung von Steuerbetrug in Europa geben.
  • Mit GRÜNEN in der Regierung wird Deutschland das 2%-Ziel der Nato aufkündigen. Mit uns gibt es keine Erhöhung des Verteidigungsetats. Diese Aufrüstungsspirale machen wir nicht mit. Wir setzen vor allem auf eine friedliche Außenpolitik, zivile Konfliktprävention und Entwicklungszusammenarbeit.

Diese Punkte stehen zum Teil schon angedeutet in der Präambel oder später ausführlicher in den Kapiteln. Wichtig ist, dass wir jetzt zentrale GRÜNE Forderungen klar und prägnant vertreten und damit auch unser Verhältnis inhaltlich zu den anderen Parteien – unseren Mitbewebern und Gegnern im Wahlkampf – deutlich machen. Das ist besonders notwendig, wenn wir auf eine klare Koalitionsaussage verzichten. Nur so können wir den fragenden Bürger*innen auch deutlich zeigen, dass wir einen klaren Kompass haben. Zur Glaubwürdigkeit gehört aber auch, deutlich zu sagen: Wenn wir unsere zentralen Forderungen nach der Wahl in Gesprächen mit anderen Parteien nicht durchsetzen können, gehen wir erhobenen Hauptes in die Opposition. Wir wollen regieren und dieses Land ökologisch, gerecht und weltoffen gestalten, aber wir regieren nicht um jeden Preis.

Kurz zusammengefasst: Diese Präambel enthält aus meiner Sicht viel Licht, etwas Schatten und an zentralen Stellen müssen wir jetzt nochmal zuspitzen. Lasst uns das gemeinsam machen. Lasst uns gemeinsam auf der Grundlage des Wahlprogramms mit klaren Ansagen in den Wahlkampf schreiten.

Dafür kämpfen wir in diesem Sommer. Mit klarer Haltung und klarer Kante, selbstbewusst, mit Mut, Freude und Zuversicht. Für ein starkes, zweistelliges GRÜNES Ergebnis und die dritte Kraft im Bundestag. Auf geht´s!

2 Kommentare

  1. Den Pflegenotstand so schnell es geht bekämpfen, aber wie?

    Angehörige werden bereits von ambulanten Pflegediensten geschult, daher sollten diese auch keine finanziellen Nachteile erleiden, wenn sie die Pflege übernehmen. Zur Zeit ist die finanzielle Notlage bei Angehörigenpflege vorprogrammiert; ihnen wird ein "Darlehen" angeboten!

  2. dass seit 2005 die Union die Kanzlerin stellt und damit auch die Hauptverantwortung für die Politik der letzten 12 Jahre trägt.

    Ich finde, das ist eine parteipolitisch verkürzte und beschönigende Betrachtungsperiode.
    Lass uns das mal auf 16 Jahre erweitern und es kommt ein weiteres Thema in den Blick, das seit über einem Jahrzent die gesellschaftliche Stimmung verdüstert:
    die „Agenda“ mit ihren rein auf Anreizwirkungen ausgerichteten Zumutungen und in sozialpolitischer Hinsicht willkürlichen restriktiven Anrechnungen, die jedes Gerechtigkeitsempfinden beleidigen.
    Ich halte es nicht für hilfreich, wenn hiervor die Augen verschlossen werden, weil die Grünen daran leider mitschuldig sind.

    > Eine Politik, die wir grundlegend ändern wollen.

    Schön, aber unter den Willensbekundungen fehlt ganz klar eine:
    „Wir müssen das Sozialsystem wieder auf die Basis von Gerechtigkeit und Anstand stellen“
    Die alternative Präambel (P-02) findet hier deutlichere Worte.