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Neuer Anlauf in Sachen Ehegattensplitting?

Um eins vorweg klar zu stellen: die Besteuerung der Ehe in der bisherigen Ausgestaltung ist nicht in Stein gemeißelt – es gibt einen gewissen politischen Gestaltungsspielraum in bestimmten rechtlichen Grenzen.

Über diesen politischen Gestaltungsspielraum lohnt es sich zu reden. Verfassungsrechtlich möglich wäre sowohl eine bestimmte Deckelung des Splittings, als auch die Festlegung eines Übertragungshöchstbetrages auf den jeweiligen Ehegatten.

Was der bisherige Splittingtarif allerdings nicht ist, ist eine frauenfeindliche Subvention, eine rückwärtsgewandte Förderung überkommener Lebensweisen oder schlicht eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Wer politische Mehrheiten für Veränderung hinter sich sammeln will, muss von den ideologischen Bäumen runter kommen und zu einer sachlichen Diskussionsebene wechseln.

Wesenskern der Ehe und damit auch ihrer Besteuerung sind die gegenseitigen Unterhaltspflichten und zwar nicht erst nach Trennung, sondern auch während der bestehenden intakten Ehe. Daneben gibt es den durchaus auch verfassungsrechtlich relevanten Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Legt man beides nebeneinander, erkennt man schnell: wer jemand anderem Unterhalt schuldet, ist bei gleichem Einkommen zwangsläufig weniger leistungsfähig, als wer keinen Unterhalt schuldet. Oder anders gesagt: wer sein Einkommen alleine verbraucht, ist steuerrechtlich leistungsfähiger als zwei Leute, die sich ein Einkommen teilen. Der Splittingtarif ist also nichts anderes als eine konsequente Fortschreibung des ehelichen Halbteilungsgrundsatzes im Steuerrecht.  Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Eine himmelschreiende Benachteiligung von Frauen hingegen ist die Aufteilung der monatlichen Vorauszahlungen bei Lohnsteuerklassen 3 und 5. Es gibt überhaupt keinen nachvollziehbaren Grund, warum gerade der weniger verdienende Ehegatte den monatlich höheren Abschlag auf die gemeinsame Steuerlast zahlen soll. Ich verstehe bis heute nicht, warum wir Grüne im Parlament nicht längst beantragt haben, diese Steuerklassen zu streichen. Die Steuerklassen hängen nicht am Splittingtarif und könnten völlig unabhängig davon abgeschafft werden.

Danach könnten wir uns dann endlich in Ruhe zusammensetzen und überlegen, ob und wenn ja welche Modifikationen am Splittingtarif zu sinnvoller Umverteilung führen könnten. Solange wir uns aber weigern, die rechtliche Anspruchslage zur Kenntnis zu nehmen, die dieser Besteuerung zu Grunde liegt, werden wir weder sinnvolle Konzepte entwickeln, noch politische Mehrheiten dafür gewinnen können.

Autor: Katja Keul

Katja Keul ist Sprecherin für Rechtspolitik und parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

3 Kommentare

  1. Sehr geehrt Frau Keul,

    ich habe bis jetzt Grün gewählt – damit ist aber seit der letzten Wahl vorbei. Solange Grüne und Co mir nicht erklären können, wieso ich mit meiner Familie mehr steuer zahlen soll (1- 100%, 1 -50%) als meine Nachbarn (2 * 75%)  – und zwar beim gleichem Gesamteinkommen. Wo ist hier die Steuer-Gerechtigkeit. Das wir noch 3 Kinder haben, und unsere Kinder nicht.

     

  2. Eines vorweg: Die Steuerklasse 5 wäre auch heute schon nicht mehr notwendig, denn es gibt das Faktorverfahren. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Ehepartner vorher überlegen müssen, welchen Faktor sie eintragen wollen.

     

    Wie AL Müller bereits erwähnt hat, darf es nicht sein, dass ein verheiratetes Paar bei gleichem Gesamteinkommen einen unterschiedlichen Steuerbetrag bezahlen muss. Noch schlimmer ist das im Vergleich zu einem unverheirateten Paar. Das verstößt eindeutig gegen das Grundgesetz. 

    Weiteres Problem: Hat ein Paar Einkünfte aus Mieten/Kapitalanlagen kann es sich das Splitting selbst schaffen, indem es diese Einkünfte auf den Partner mit dem niedrigeren Einkommen überträgt. Das kann ein Arbeitnehmer – Paar nicht. Eine Ungerechtigkeit ohne Gleichen.

    Des weiteren treibt es mir die Zornesröte ins Gesicht, wenn Sie im Zusammenhang von Alleinverdiener – Ehen von einem "veralteten" Familienmodell sprechen. Meine Frau kann aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Es klingt für mich wie Hohn, wenn die Grünen von Anreizen zur Arbeitsaufnahme sprechen. Das ist nicht sozial, das ist asozial!

     

    Fazit: Ich habe grundsätzlich nichts gegen soziale Politik. Aber solange Änderungen am Ehegattensplitting im Raum stehen, hacke ich mir lieber die Hand ab, als einer linken Partei meine Stimme zu geben.

  3. Das Problem ist ja, dass die Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehepartner steuerlich wesentlich höher honoriert wird als die gegenüber den eigenen Kindern. Es kann nicht sein, dass Alleinerziehende mit Kindern wesentlich mehr Steuern zahlen als verheiratete Paare – mit oder ohne Kinder. Das Steuersystem muss weiterhin die Unterhaltspflicht belohnen. Dabei sollte aber der Unterhalt für Menschen, die wegen Alter, Ausbildung, Krankheit oder kein eigenes Einkommen haben, aber stärker berücksichtigt werden als derjenige für Personen, die aus freier Entscheidung nicht arbeiten. Das kann man durchaus so gestalten, dass das Einkommen von Familien mit Kindern (oder pflegebedürftigen Menschen), bei denen ein Partner die Betreuung ganz oder teilweise selbst übernimmt und daher nicht arbeitet, im neuen System genauso hoch ist wie beim Ehegattensplitting. Es schreit aber zum Himmel, dass Alleinerziehende mehr Steuern bezahlen als Familien, in denen sich Erwerbsarbeit und Betreuungsarbeit auf zwei Personen verteilen.