Grün.Links.Denken

Wir sind so frei.

Von wegen, wir Bündnisgrüne hätten ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit. Verbotspartei war gestern, heute präsentieren wir uns liberaler als die FDP erlaubt. Die sympathisch-bekloppte 3-Prozent-Partei steht Pate bei einem radikalen grünen Imagewandel, den wir genialen Strategen mit viel Herz für die Vergessenen unserer Parteiendemokratie zu verdanken haben. Als Erbschleicher der Freien Liberalen kümmern sie sich in bester grüner Bürgerrechtstradition um bedauernswerte Randgruppen. Flüchtige Neoliberale, die sich noch nicht in die AfD retten konnten, dürfen durch diesen humanitär-humorvollen Akt auf eine neue politische Heimstatt hoffen – und das ausgerechnet in der Partei, bei deren Mitgliedern sie demoskopisch am meisten verhasst sind.

Die dankbare Reaktion des FDP-Parteivorsitzenden-Imitators Patty Lindner folgte auf dem Fuß: Der konnte endlich mal wieder Interviews geben und hat diese erneute Chance, seine eigene Irrelevanz zu beweisen, eindrucksvoll genutzt. Als „Abkassiererpartei“ hat er uns Grüne umschmeichelt – als könnte man mit der FDP-Insolvenzverwaltung politisch Kasse machen. Oder doch?

Der smarte Spin der grünen Framing-Elite hat das Zeug, die bundesdeutschen Massen zu begeistern. Millionen Bürger*innen können ihr Glück kaum fassen: Just hatten sie es geschafft, die Existenz der FDP erfolgreich zu verdrängen, werden sie ausgerechnet von den Grünen schmerzhaft eines Besseren belehrt. Zur Erinnerung: Mehr als 95 Prozent der Wahlgänger*innen haben bei der letzten Bundestagswahl nicht für die FPD gestimmt. Wenn das kein schlagendes Argument dafür ist, beim nächsten Mal die selbsternannte Nachfolgeorganisation mit einem Solidaritätskreuzchen zu honorieren! Das hat bei der SED-PDS ja auch geklappt, oder zumindest so ähnlich.

Apropos absurde Gedankengänge und FDP: Erst bei intensiver Beschäftigung mit diesem deprimierenden Derivat einer großen Ideengeschichte, das als Partei zwischenzeitlich alle UNESCO-Kriterien für vom Aussterben bedrohte Politfolklore erfüllt, fällt auf, in wie vielen deutschen Wörtern das Adjektiv „frei“ auftaucht, mit denen man sogar ganze Sätze bilden kann: Unfreiwillig schmerzbefreit freidrehen, zum Beispiel. Was das in diesem Zusammenhang für einen Sinn macht? Keine Ahnung. Aber über den Sinngehalt ihrer Äußerungen haben sich ja auch die Urheber der Die-Grünen-sind-die-bessere-FDP-Idee keinen großen Kopf gemacht.

Freiheit ist bekanntlich nicht nur die Freiheit der Andersdenkenden, sondern findet auch dort kein Ende, wo Dummheit anfängt. Was genau wollten wir gleich von der FDP erben? Egal, wir sind so frei.  

9 Kommentare

  1. Schöne Klatsche in zwei Richtungen, lieber Daniel. Aber ist es nötig, die wie-hießen-die-nochmal-Partei durch öffentliche Erwähnung innerhalb der Grünen wieder und wieder zu thematisieren und allein dadurch schon aufzuwerten? Die hat sich selbst komplett demontiert. Und das ist gut so.

    Wir täten gut daran, es ihnen nicht gleichzutun durch ein immer stärkeres Zerfasern in Richtung Beliebigkeit, sondern unser Profil wieder zu schärfen, als Umweltschutz- und Friedenspartei, als progressive Visionäre einer gerechten Gesellschaft für alle (!) Menschen, als die Partei, der es möglich sein müsste, ein europäisches Wir-Gefühl zu entwickeln, das so dringend nötig ist – den Menschen die Angst vor Multikulti zu nehmen, denn von innen sind wir alle gleich.

    Was bringt da schon das Gefasel einiger, die meinen, sie müssten in der Wähler-Resterampe jetzt irgendwas abstauben? Die Menschen da draußen haben eine klare Erwartungshaltung uns, den Grünen, gegenüber – und oft scheint es mir, wir erfüllen sie längst nicht mehr.

  2. Das (Pseudo)Freiheitsverständnis der FDP sollten wir auf keinen Fall imitieren. Die Steilvorlage der Bundestagswahl sollten wir aber nutzen und den Bürger/innen klar kommunizieren, dass grüne Politik Politik für Freiheit ist (und immer schon war). Größtmögliche Freiheit aller Menschen, statt Freiheit/Austoben nur für Wenige (a la schwarz-gelb). Freiheit eben nicht verkürzt auf Eigentum, sondern Freiheit als rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, selbstbestimmt am Gemeinwesen teilzunehmen und teilzuhaben. Unsere Inhalte sind freiheitlich, wir müssen nur stärker darauf achten, diese auch freiheitlich zu formulieren.

  3. Was für eine schreckliche Sprache.

  4. "…und das ausgerechnet in der Partei, bei deren Mitgliedern sie demoskopisch am meisten verhasst sind."

    Man kann andere demokratische Parteien unsympathisch finden, sie auch mit voller Überzeugung ablehnen, aber denken Sie wirklich, dass "Hass" hier angebracht ist? Eine solche Äußerung über die Grünen wäre nach meiner Erfahreung in der FDP schlicht undenkbar.

    Ihre Wortwahl hat leider nicht mehr viel mit einer politischen Auseinandersetzung unter demokratischen Parteien zu tun.

  5. So viel Hass gegen Liberale? Bisschen ecklig ist das.

  6. Ein schönes Dokument dafür dass Grüne in der Tat keine Liberale sind. Sprache ("verhasst"), das Verächtliche gegenüber Andersdenkenden, das Gefühl nicht irren zu können, moralische Hybris passen gut zum Verhalten am Wahlabend als man die eigene Niederlage durch hämisches Jubeln und Treten auf die noch mehr am Boden liegenden psychologisch vielsagend kompensierte.

  7. Nach strenger Auslegung der Blog-Regeln sollte dieser Beitrag teilweise geändert oder ganz gelöscht werden:

    "~~Hier werden inhaltliche und strategische Diskussionen geführt. Das Blog ist kein Ort für Personaldebatten. Außerdem werden keine rassistischen, sexistischen, antisemitischen, homophoben oder andere menschenverachtende Äußerungen zugelassen. "

    http://gruen-links-denken.de/wer-wir-sind/

  8. Daniel, was meinst Du?

    Schön von meinem Landesvorsitzenden wenigstens hier in diesem Blog mal etwas zur Konzeptionsdebatte der Grünen zu lesen. Nur was will er uns sagen, außer der Häme über eine Partei, die den Liberalismus totgeritten und damit das traurige Verdienst erworben hat, einen historisch wertvollen Teil der Emanzipationsbewegung in Verruf gebracht zu haben. Den Liberalimus in seiner historischen Bedeutung wertzuschätzen, heißt nicht die FDP zu "beerben". Michael Kellner hat recht: "Es gibt gute Gründe für eine grüne Freiheitsdebatte, doch das Erbe der FDP anzutreten gehört nicht dazu. "  und er nennt solche guten Gründe. Das vermisse ich bei dem Beitrag von Daniel und nicht nur bei diesem Beitrag. Häme oder auch freundliche Worte sind leichter als klare und durchdachte Positionierung. Die aber brauchen wir, auch in der Freiheitsdebatte.

    Im Zusammenhang des April-Kongresses gab es hier schon einige Beiträge u.a. von Robert Zion. Schade wenn das wieder verschüttet wird. Für mich heißt Freiheit vor allem Freiheit zur Verantwortungsübernahme. Wir wissen, welche Bedrohungen auf dieser Erde die Menschen bzw. ein kleiner Teil von ihnen geschaffen haben und wie sie weiter dabei sind, unsere Zukunft zu zerstören. Aber wir sehen auch die Chancen, die in neuen Technologien  und in der Einsichtsfähigkeit vieler stecken. Wir buchstabieren Freiheit als "Freiheit für" und nicht nur als "Freiheit von".

    Die Grundregel von Freiheit zur Verantwortung hat Hans Jonas schon 1984  in seinem "Prinzip Verantwortung" formuliert: So zu handeln, dass handeln auch in Zukunft möglich bleibt. "Es geht darum, die Natur in unsere Obhut zu nehmen", übersetzt Ralf Fücks das Postulat von Jonas zur Zukunftssicherung  in seinem Buch zur grünen Revolution. Eine Riesenherausforderung. Wenn die Grünen diese Herausforderung annehmen und  dazu einen verantwortlichen Beitrag leisten, zeigen sie wie der Liberalismus in Zukunft aussehen kann. Von der FDP ist dann keine Rede mehr.

     

  9. Ziel wäre ja, das linksliberale Erbe der FDP anzutreten, wobei Janecek und Al-Wazier sicherlich nicht Karl-Hermann Flach meinen, denn dieser hat sich ja wie Walter Eucken und Alfred Müller-Armack für ein aktives Eingreifen und eine Ordnungsfunktion des Staates gegen den Nachtswächterstaat eingesetzt haben. Janecek fordert ja die Zustimmung zu dem Handelsabkommen EU/USA (TTIP), mit dem sämtliche EU-Regelungen zur Begrenzung der Macht der Konzerne zerstört würden – ganz im Sinne der Chicago Boys wie Milton Friedman. Ich bearbeitete Flach im Zusammenhang mit dem Ordoliberalismus ja auch in meinem Unterricht in Wirtschaftswissenschaften. Gleichzeitig bearbeite ich aber auch weitere Wirtschaftstheorien neben dem Neoliberalismus auch Marx, Keynes sowie Ökomonen/innen, die fast vergessen sind, die jedoch einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, den globalen Kannibalismus (Jean Ziegler/UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung) zu bekämpfen: Elinor Ostrom (Allmende/Gemeinwesen – total grün und ökologisch/einzige Frau mit Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften), Galbraith (Wohlfahrtsökonomik, Überflussgesellschaft, Warnung vor öffentlicher Armut und privatem Reichtum, strategische Preissetzungsmacht von wenigen Megaunternehmen/Monopolen, aktives Eingreifen des Staates/Wegbereiter einer evolutorischen Institutionenökonomie). Sich nur auf Flach zu beziehen, wäre mir auch zu Flach. Ich habe ja laut Schulgesetz die Aufgabe, den mündigen Staatsbürger zu erziehen. Außerdem haben Westerwelle und Konsorten diese linksliberalen Ansätze bereits vor vielen Jahren erledigt und den Verein neoliberal ausgerichet. Deshalb gibt es dort nichts mehr zu erben und die Wähler/innen haben sinnvollerweise entschieden, diese Partei aus dem politischen Sprektrum zu entfernen, weil sie zu nichts mehr nutze ist. Sie war ja eh immer nur Schanierpartei zum Machterhalt. Dies von Janecek und Al-Wazir fordern, ist ist historisch und aktuell einfach nur Dummheit oder Absicht, um ihre strategischen Ziele durchzusetzen, um die Grünen ihres emanzipatorischen, gesellschaftlichen Kerns zu berauben. Es sind die Grundwerte: ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei! Ich denke jedoch, dass sie bei den Grünen wie Don Quichote gegen Windmühlen reiten! 🙂