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Die Angst vor dem K-Wort

Kapitalismus in der Krise – weltweit wächst die Unzufriedenheit über ein ungerechtes Wirtschaftssystem, vergrößert sich der Abstand zwischen Arm und Reich, hebeln Finanz- und Bankinstitutionen Demokratie aus und die Vorstellung vom unendlichen und allen Wohlstand bringenden Wachstum gerät immer mehr ins Wanken. Dennoch trauen sich weder Bündnis’90/Die Grünen, noch die SPD das System und die dahinter liegenden Ideen mit dem direkten Namen zu benennen: Kapitalismus

Bei der SPD taucht das Wort zweimal im gesamten Programm auf, dann auch noch verfremdet. „Finanzkapitalismus bändigen“ heißt es dort als Überschrift für das zweite Kapitel. Die SPD scheint den Kapitalismus nicht als Gesellschaftssystem, sondern lediglich als eine Art Regelwerk für den Finanzsektor verstanden zu haben. Zweimal wird das K-Wort auch nur deshalb verwendet, weil die Überschrift natürlich noch im Inhaltsverzeichnis angegeben wird.

Bündnis’90/Die Grünen benutzen das Wort ebenfalls zweimal, sogar tatsächlich in zwei verschiedenen Sachverhalten – ironischerweise nicht im eigentlich dafür primär geeigneten Kapitel „Anders Wirtschaften“, sondern im ersten Kapitel „Teilhaben – Einmischen – Zukunft schaffen“ und im letzten „Unsere eine Welt“. Auch hier scheint die Ideologie nicht als solche erkannt worden zu sein, fordern die Grünen doch im ersten Kapitel „statt entfesseltem Kapitalismus eine Regulierung der Finanzmärkte“. Im letzten Kapitel wird das K-Wort wenigstens in der globalen Dimension angesprochen: „Die Finanz- und Klimakrise haben einmal mehr die dramatischen Auswüche eines globalen Kapitalismus mit unregulierten Märkten offengelegt.“ Aber auch an dieser Stelle werden relativierend die „unregulierten Märkte“ angeführt.

SPD und Grüne scheinen sich im Grundsatz darauf verständigt zu haben, dass eigentlich alles in Ordnung sei, die Finanzwirtschaft nur mehr reguliert werden und soziale und ökologische Komponenten mehr Berücksichtigung finden müssten.

Bevor wir aber anfangen können, an Lösungen für die gesamten Probleme zu arbeiten, müssen wir die Ursachen erst einmal klar benennen und eingrenzen. Das alles bestimmende System Kapitalismus gehört dazu. Ich möchte nicht das Geld abschaffen, Planwirtschaft einführen oder Lohnarbeit verbieten. Aber scheinbar besteht immer noch die Angst, bei der Benutzung des Wortes Kapitalismus direkt in diese Ecke gestellt zu werden.

Vielleicht trauen sich SPD und Grüne deshalb nicht, Kapitalismus als System zu benennen. Aber genau das müssen wir tun, ihn als alles beeinflussende Ideologie aufdecken, erst dann können wir uns den daraus resultierenden Problemen stellen und an Lösungen arbeiten. Kapitalismus bestimmt unsere Wirtschaft, unseren Alltag, unser Denken und unsere Lebensplanung, beeinflusst unser gesamtes Leben.

Wie wir mit diesem Einfluss umgehen und wie wir diese Situation ändern wollen, muss sich in der gesellschaftlichen Diskussion zeigen, aber solange wir den Mut nicht haben, das K-Wort auszusprechen und die damit verbundenen Emotionen auszuhalten, solange werden wir keine gesellschaftliche Diskussion herbeiführen. Es ist ehrlich und an der Zeit, keine Angst mehr zu haben und deutlich zu machen, worüber wir endlich sprechen müssen: Kapitalismus! Und das auch in unseren Wahlprogrammen. Offenbar sehen SPD und Grüne das anders. Kapitalismus scheint in ihren Wahlprogrammen nur ein Teil der Finanzwelt zu sein, den es zu regulieren, bzw. sozial-ökologisch zu reformieren gilt.

3 Kommentare

  1. Und worauf genau zielt dieser Beitrag nun ab? Das K-Wort wurde in dem Text ja ziemlich häufig ausgesprochen respektive -geschrieben. Eine Zusammenfassung des Textes könnte lauten: 1. SPD und GRÜNE trauen sich nicht, "Kapitalismus" zu schreiben. 2. Kapitalismus ist mehr als Regulierung der Finanzmärkte. 3. Es ist nicht schlimm, "Kapitalismus" zu schreiben.

    Und? Was kommt dann? 🙂

    • Der Text soll keine Anleitung "Wie gehe ich mit Kapitalismus um" liefern, das möchte ich mir auch nicht anmaßen. Den Umgang damit können wir nur gemeinsam im Dialog finden. Aber damit wir diesen Dialog starten können, "müssen wir,genau das  tun, ihn als alles beeinflussende Ideologie aufdecken, erst dann können wir uns den daraus resultierenden Problemen stellen und an Lösungen arbeiten".
      Was danach passiert, muss sich im Dialog klären, aber solange die Notwendigkeit des Dialoges nicht gesehen wird, solange "Kapitalismus" nicht benannt wird, solange werden wir auch keine Ideen entwickeln, Alternativen zu einem durchkapitalisierten Alltag zu entwerfen.

  2. "Sollte es irgendwelche Götter geben, deren Hauptanliegen der Mensch ist, so können es keine sehr bedeutenden Götter sein."

    Arthur C. Clarke

    Ein unbewusster, d. h. noch nicht aus dem geistigen Tod der Religion (Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor) auferstandener Mensch, der "Kapitalismus" sagt, meint "kapitalistische Marktwirtschaft", und die Befreiung der Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde) durch den eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation, die Natürliche Wirtschaftsordnung ("Königreich des Vaters"), übersteigt sein Vorstellungsvermögen.

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html

    Speziell für die ganz Dummen:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/02/irrtumer-des-marxismus.html