Grün.Links.Denken

„Die immer mit ihrer Schutzverantwortung.“

und Robert Zion

 

Das war ein Kommentar auf dem Kongress Grün.Links.Denken. Und in der Tat Schutzverantwortung klingt eher nach Versicherungspolice, oder die englische Kurzfassung R2P nach einem aggressiven Putzmittel. Doch gibt es bereits seit der Renaissance diese Diskussion über unsere Verantwortung, in modernen Republiken die Folgen des eigenen Tuns und Unterlassens vollständig selbst tragen zu müssen. Bis hin zum Konzept der Verantwortungsethik in unseren Demokratien, die Vorstellungen, es käme nur auf die eigene Haltung und „richtige“ Gesinnung an, abzulösen beginnt.

Aber, warum diskutieren wir FriedenspolitikerInnen so intensiv und kontrovers dieses Konzept? Gibt es überhaupt so etwas einen verantwortungsethischen Pazifismus?

Es geht dabei um die weitere Entwicklung im Völkerrecht. Dieses befindet sich derzeit an einer historischen Schwelle. Im Kern steht dabei genau die Schutzverantwortung. Es geht dabei um nicht weniger als den Schutz von Menschen vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gemeint ist der Schutz der Menschen als Menschen, selbst gegen die eigene Regierung, den eigenen Staat, der bisher als der unantastbare, absolute Souverän galt.

MenschenrechtsaktivistInnen verweisen daher auch auf die Schutzverantwortung, um Völkermord oder schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. VölkerrechtlerInnen begründen damit die internationale Zähmung von nationalstaatlicher Willkür. Regierungschefs rechtfertigen so völkerrechtswidrige Kriege.

Das bisherige Völkerrecht und die internationalen Institutionen müssen reformiert werden. Sie erweisen sich als nicht mehr zeitgemäß und geraten zunehmend unter Veränderungsdruck. Aus internationalen Institutionen müssen wirkliche übernationale werden.

Dabei sind zwei Richtungen für den Umbruch der internationalen Ordnung denkbar, die damit zu einer wirklichen globalen Ordnung wird. Entweder es dominiert das Recht des Stärkeren.  Der bisherige internationale Rechtsrahmen erodiert. Das internationale System wäre geprägt durch multipolare Interessengegensätze, ohne dass ein geregelter Mechanismus zur friedlichen Streitbeilegung existiert. Oder aber, es entwickelt sich ein  globales Rechtssystem, welches auf geteilten gemeinsamen, humanitären Werten, handlungsfähigen inter- und übernationalen Institutionen und  weltweiter Kooperation beruht.

Wenn heute Völkerrecht gebrochen und das Recht des Stärkeren durchgesetzt wird, ist das kein einmaliger Sündenfall, sondern beschädigt internationales Recht insofern, als es als Gewohnheitsrecht eine neue Rechtswirklichkeit schaffen würde. Daher gilt es auf eine Stärke des Rechts und nicht auf das Recht des Stärkeren zu setzen. Ob dies gelingen kann, wird eine der entscheidenden Fragen der internationalen Politik in den nächsten Jahre sein.

Der Kern der Schutzverantwortung liegt also in einer völkerrechtlichen Schwerpunktverschiebung vom Nationen- auf das Menschenrecht. Trotz verschiedener Bezugnahmen auf die Schutzverantwortung ist sie noch keine eigenständig geltende Norm des Völkerrechts. Sie ist ein rechtsethisches Prinzip, die eine Pflicht zum Handeln beschreibt und hohe ethische Maßstäbe an eigenes Handeln anlegt. Diesem hohen ethischen Maßstab wird die deutsche und europäische Politik aber viel zu oft nicht gerecht.

Häufig wird das Konzept der Schutzverantwortung auf militärische Intervention verkürzt, obwohl es gerade auch Prävention umfasst. Grüne Friedenspolitik, die historisch immer ihr Zentrum in der zivilen Konfliktprävention hatte, findet ihre Entsprechung so in der ersten Säule der Schutzverantwortung, der Verantwortung zur Prävention.

Wir sollten daher die Schutzverantwortung umfassend verstehen und im eigenen Handeln berücksichtigen. Das bedeutet eine radikal andere Politik von Deutschland und der EU in den Außenbeziehungen.

Dazu gehört beispielsweise, dass Deutschland aufhört mit seiner Rüstungsexportpolitik.  Deutschland ist drittgrößter Waffenlieferant weltweit und trägt dazu bei, Gewaltkonflikte entstehen zu lassen, anzuheizen und zu verlängern. Die Vermeidung von Exporten ist wesentlicher Bestandteil einer Politik, die auf vorbeugende Gewalteskalation setzt.

Ein anderes Beispiel ist, unsere international operierenden Unternehmen bindend in die Verantwortung zu nehmen, ein weiteres ist die Entwicklungszusammenarbeit. Hier sollte Deutschland endlich seiner Verantwortung gerecht werden und seine Zusage zur Finanzierung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit einhalten. Wirtschaftspolitik muss sich dabei genauso ändern, wie die skandalöse europäische Agrar- und Fischereipolitik oder Flüchtlingspolitik!!

Es braucht aber nicht nur eine radikal andere Politik in den Außenbeziehungen. Es braucht auch weitere Anstrengungen für die Reform der Vereinten Nation und zur Stärkung des Völkerrechts. Gleichzeitig brauchen wir mehr Anstrengung um auf nationaler Ebene die Instrumente der zivilen Krisenprävention zu implementieren. Last but not least müssen wir auch die Konsequenzen aus über 10 Jahren Einsätze der Bundeswehr ziehen. Es braucht Kriterien, die uns im Umbruch des Völkerrechts klare Leitlinien für das eigene Handeln geben

Für alle diese Punkte macht die BAG Frieden nach einem breiten und intensiven Diskussionsprozess Vorschläge.

Den Beschluss dazu findest du hier. Wir wollen die Debatte auf den nächsten Bundesparteitag weiter führen. Dabei wollen wir auch den Punkt diskutieren, ob im Falle eiern Blockade im Sicherheitsrat auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen Entscheidungen bis hin zu Mandatierung von UN-Missionen fällen kann. Die BAG Frieden hat sich mit großer Mehrheit für einen solchen Weg ausgesprochen.

 

Michael ist Sprecher der BAG Frieden von Bündnis 90/Die Grünen

Robert ist Mitglied im Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen in NRW

Autor: Michael Kellner

Michael Kellner ist politischer Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen

Kommentare sind geschlossen.