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Ehe für alle – reicht vollkommen

Erwiderung auf Franziska Brantner und Katja Dörner (TAZ 31.08.2015, „Jenseits der ,Ehe für alle‘“)

Das Bedürfnis, neue Rechtsinstitute und Vertragstypen zu kreieren, rührt oft daher, dass die rechtlichen Wirkungen der Eheschließung nicht hinreichend bekannt sind. Insofern gebe ich Franziska Brantner und Katja Dörner Recht, wenn sie in der Taz schreiben:  „Häufig fehlen darüber jedoch Informationen und die Wege sind kompliziert…“

Die Einführung der „Ehe für alle“ macht in Deutschland alles möglich, was in dem Artikel gefordert wird. So ist bspw. eine „romantische Liebe“ keine Voraussetzung für eine Eheschließung. Sobald die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Partnern offen steht, können die im Artikel beschriebenen älteren Freundinnen eine solche Ehe schließen, um sich abzusichern. Auf die Frage der sexuellen Orientierung kommt es dabei nicht an.

Die Rechtswirkungen der Ehe können in vielen Bereichen durch Vertrag individuell gestaltet werden. Diese Gestaltungsmöglichkeiten finden ihre Grenzen dort, wo es um den Wesensgehalt und damit den Kern der Ehe geht: ein Unterhaltsverzicht während der Ehe ist nicht möglich – auch nicht während der Trennungszeit. Erst der nacheheliche Unterhalt steht einer vertraglichen Regelung wieder offen, sofern nicht der Schutz des kinderbetreuenden Elternteils vorgeht.

Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich geboten (Art 6 Abs. 1 GG Schutz der Ehe), sondern auch logisch und sinnvoll. Es steht jedem und jeder frei, ob sie in rechtlich verbindlicher Form füreinander sorgen wollen. Die Eheschließung bietet genau diese rechtliche Bindung. 

Eine Ehe, die hingegen jeder inhaltlichen Bindung entbehrt, wird zu einer leeren Hülle, die nur noch zeremoniellen Charakter hat und nicht mehr den Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 GG entspricht.

(Kein Kernbereich der Ehe ist der Splittingtarif. Dazu ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Ich verweise auf meinen Debattenbeitrag hier.)

Im Vergleich zur Ehe hat der französische Pacte civil de solidarité (Pacs) nur wenige Abweichungen, die allerdings sehr fragwürdig sind. So kann die rechtliche Bindung form- und fristlos durch die Eingehung eines Pacs mit einer anderen Person aufgelöst werden, damit es keines Scheidungsverfahrens bedarf. Dies verhindert, dass sich irgendein Partner auf die Versorgung durch den anderen verlassen kann und ist deshalb gerade keine rechtliche Bindung.

Es ist nicht erkennbar, worin der entscheidende Unterschied liegen soll, wenn der Notar einen Unterhaltsvertrag zwischen Unverheirateten beurkundet oder der Standesbeamte die Ehe bei gleichlautendem Ehevertrag. Auch ein notarieller Vertrag ist nie formfrei kündbar, weil er sonst nicht notariell geschlossen werden müsste.

Es wird schnell übersehen, dass das Scheidungsverfahren, sowie die weiteren gesetzlichen Folgen, wie Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich etc. dazu dienen, denjenigen bei Trennung zu schützen, der sich im Vertrauen auf die rechtliche Bindung in eine wirtschaftlich schwächere Lage gebracht hat.

Wer sich bei existentiellen Entscheidungen im Leben niemals auf einen anderen verlassen will, braucht weder eine Ehe, noch sonst eine irgendwie anders benannte rechtsverbindliche Vertragskonstruktion gleichen Inhalts.

Autor: Katja Keul

Katja Keul ist Sprecherin für Rechtspolitik und parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

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